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Wie hält man BBS am Leben?

Öfters hört man, dass ein einmal eingeführter und zunächst erfolgreicher BBS-Prozess nach einiger Zeit „eingeschlafen“ ist. Bei BBS (Behavior Based Safety – Verhaltensorientierte Arbeitsischerheit) kann man das frühzeitig feststellen, ganz einfach, in dem man sich z. B. die Zahl der Beobachtungen ansieht. Die Zahl der Beobachtungen ist ein objektives Maß der Beteiligung der Mitarbeiter am BBS-Prozess. Wenn man zudem feststellt, dass die Mitarbeiter sich auch bei anderen Aktivitäten des mitarbeitergetragenen Arbeitsschutzes (z. B. Teilnahme an Beobachtergruppentreffen, Einreichen von Beinaheunfallmeldungen oder Verbesserungsvorschlägen) weniger engagieren, muss man handeln.

„Beteiligung an BBS“ ist ein Verhalten. Es unterliegt den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie jedes andere Verhalten: Vorausgehende Bedingungen ermöglichen es, lösen es aus, sind die Voraussetzung dafür usw. Konsequenzen – das, was aus dem Verhalten folgt – sorgen dafür, dass es aufrechterhalten bleibt (oder auch nicht). Kommt ein schon länger erfolgreich laufender BBS-Prozess ins Stottern, liegt dies selten daran, dass die Mitarbeiter nicht wissen, was sie im Rahmen von BBS machen sollen. Es liegt meist auch nicht daran, dass die Mitarbeiter das Arbeiten mit BBS zu aufwändig finden: Hat man eine Weile mit BBS gearbeitet, empfindet man den damit verbundenen Verhaltensaufwand normalerweise nicht mehr als so belastend wie zu Beginn. Wenn der Enthusiasmus für BBS nachlässt, kann das viele Gründe haben, deren Vorliegen es im Einzelfall zu prüfen gilt:

Die einmal eingeführten BBS-Prozesse (das Beobachten, Feedbackgeben, das Anerkennen von Erfolgen) sind einfach nicht mehr „neu und attraktiv“. Variation ist ein Faktor, der Dinge und Ereignisse attraktiver macht (übrigens der Grund, warum „M&Ms“ verschiedene Farben haben – kein Witz, die Dinger schmecken nämlich alle gleich). Sorgen Sie also für Abwechslung und Variation.

Verstärker können auch „erodieren“ – das Altbekannte verliert seinen Reiz. Während es anfangs noch eine Auszeichnung war, die Erfolge der Beobachtergruppe in der Steuerungsgruppe zu präsentieren, ist dies nun eine lästige Pflicht.

Ein wichtiger, aber oft unterschätzter und vernachlässigter Verstärker für die Beteiligung an BBS ist aber auch die Unterstützung der Vorgesetzten. Ich dränge bei der Einführung von (mitarbeitergestütztem) BBS immer darauf, dass dem Beobachtungs- und Feedbacksystem auf Seiten der Mitarbeiter ein Unterstützungssystem auf Seiten der Führungskräfte gegenübersteht. Das wird anfangs immer als nicht so notwendig betrachtet, da die Mitarbeiter, wenn man sie lässt, oft von sich aus engagiert bei BBS mitarbeiten. Zusätzliche Anerkennung und Wertschätzung durch die Vorgesetzten schient daher oft überflüssig. Doch funktioniert BBS nur, wenn es sowohl „Bottom-Up“ als auch „Top-Down“ gedacht wird. Der Wunsch der Leitung, dass „alle Mitarbeiter jeden Tag gesund nach Hause gehen“, muss beim Produktionsmitarbeiter glaubhaft ankommen – er muss in konkreten Handlungen der Führungskräfte aller Ebenen sichtbar sein. Zahlreiche Studien zeigen, dass BBS nur dann dauerhaft funktioniert, wenn alle Ebenen des Betriebes in das BBS-System einbezogen sind. Gerade gut laufende BBS-Systeme bewirken aber, dass die Vorgesetzten zwar mit dem Engagement der Mitarbeiter für BBS zufrieden sind, aber sich tendenziell etwas zurücknehmen. Sie sollen ja auch den Mitarbeitern die Freiheit lassen, mit BBS zu arbeiten. Zudem hat man als Vorgesetzter ja auch noch alles mögliche Andere zu tun. Das geht so lange gut, wie die Mitarbeiter noch mit der anfänglichen Begeisterung am Werk sind. Um Durststrecken zu überwinden, benötigen Sie aber die zusätzliche Unterstützung der Vorgesetzten in Form von systematischer Anerkennung und Wertschätzung.

BBS ist kein Selbstläufer. Man muss es jeden Tag am Leben erhalten. Wer die verhaltenswissenschaftlichen Grundlagen von BBS versteht (Verhalten tritt auf, weil die Bedingungen, unter denen es auftritt, das Verhalten begünstigen), kann Lösungsansätzen für den nachlassenden Enthusiasmus der Mitarbeiter entwickeln. Man sollte nur nicht in die alten Verhaltensmuster zurückfallen und meinen, die Beteiligung der Mitarbeiter an BBS durch Belehrung und Druck aufrechterhalten zu können.

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Neuere Forschungen zum Thema Feedback

Feedback ist ungeheuer wichtig, das wissen wir alle, auch im Bereich der Arbeitssicherheit. Wir werden auch nicht müde, Führungskräfte immer wieder dazu zu ermutigen, ihren Mitarbeitenden mehr positives und konstruktives Feedback zu geben. Feedback ist der Motor der Verhaltensänderung. Zahlreiche Studien bestätigen, dass und auf welche Weise Feedback die Leistung positiv beeinflusst (Sleiman, Sigurjonsdottir, Elnes, Gage & Gravina, 2020). Wir wissen mittlerweile recht gut, was Feedback wirksam macht und was wohl eher der „Managementfolklore“ zuzurechnen ist. So ist z. B. mittlerweile ganz gut nachgewiesen, dass das sogenannte „Feedback-Sandwich“ (negatives Feedback wird zwischen zwei Lagen positives Feedback gepackt) entgegen anderslautender Behauptungen nicht besonders wirksam, bisweilen sogar schädlich ist (Bottini & Gillis, 2021; Henley & DiGennaro Reed, 2015).

Warum aber wird so wenig Feedback gegeben? Führungskräfte entgegnen häufig, dass sie sich bemühen würden, dass sie aber einfach aufgrund der vielen anderen Arbeit nicht dazu kämen. Diese Begründung darf man durchaus etwas skeptisch sehen. Ein wichtiger, realer Grund, warum zu selten Feedback gegeben wird, ist die tatsächliche oder erwartete Reaktion des Feedbackempfängers. Wir fürchten, dass der Mitarbeiter bei einem nicht nur positivem Feedback negativ reagieren wird. Darum vermeiden wir es, Feedback zu geben. Neuere Forschungen im Bereich des Organisational Behavior Managements (OBM) beschäftigen sich daher mit der Frage, wie man die Situation verbessern kann, so das leichter und lieber Feedback gegeben wird. Ein Ansatz besteht darin, potentielle Feedbackempfänger darin zu schulen, mit Feedback konstruktiv umzugehen. Dies führt tatsächlich dazu, dass diejenigen, die Feedback geben sollen, dies häufiger tun und dass die Feedbackempfänger tatsächlich von dem Feedback mehr profitieren. Die Wirksamkeit eines entsprechenden „Trainings im Feedback-Empfangen“ von Ehrlich, Nosik, Carr und Wine (2020) konnte erst kürzlich von einer meiner Studentinnen in ihrer Masterarbeit bestätigt werden.

Ein weiterer Ansatz besteht darin, dem Feedbackgeber zu vermitteln, wie er durch sein Feedback die Leistung des Feedbackempfängers verbessert. Wie beim Lob sieht man, nachdem man Feedback gegeben hat, nicht unbedingt unmittelbar eine deutliche Verhaltensänderung beim Feedbackempfänger. Erkennt man aber, weil man explizit seine Aufmerksamkeit darauf richtet, dass der Feedbackempfänger tatsächlich aufgrund des Feedbacks seine Leistung mittelfristig steigert, behält man die Angewohnheit, Feedback zu geben, bei. Dies ist selbst dann der Fall, wenn der mitarbeitende auf das Feedback eher ablehnend reagiert. Sieht der Feedbackgeber dagegen keine Fortschritte beim Feedbackempfänger, senkt das die Wahrscheinlichkeit, dass er in Zukunft weiterhin akkurates und ehrliches Feedback geben wird (Matey, Espericueta Luna & Gravina, 2024).

Literatur

Bottini, S., & Gillis, J. (2021). A comparison of the feedback sandwich, constructive-positive feedback, and within session feedback for training preference assessment implementation. Journal of Organizational Behavior Management, 41(1), 83-93. https://doi.org/10.1080/01608061.2020.1862019

Ehrlich, R. J., Nosik, M. R., Carr, J. E., & Wine, B. (2020). Teaching employees how to receive feedback: A preliminary investigation. Journal of Organizational Behavior Management, 40(1-2), 19-29. https://doi.org/10.1080/01608061.2020.1746470

Henley, A. J., & DiGennaro Reed, F. D. (2015). Should you order the feedback sandwich? Efficacy of feedback sequence and timing. Journal of Organizational Behavior Management, 35(3-4), 321-335. https://doi.org/10.1080/01608061.2015.1093057

Matey, N., Espericueta Luna, W. A., & Gravina, N. (2024). The effects of performance improvement on feedback accuracy and omission. Journal of Organizational Behavior Management. https://doi.org/10.1080/01608061.2024.2345627

Sleiman, A. A., Sigurjonsdottir, S., Elnes, A., Gage, N. A., & Gravina, N. E. (2020). A quantitative review of performance feedback in organizational settings (1998-2018). Journal of Organizational Behavior Management, 40(3-4), 303-332. https://doi.org/10.1080/01608061.2020.1823300

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Anreize im Arbeitsleben sind wirksam – doch man kann Vieles falsch machen

Anreize wirken. Wenn sie Anreize sind. Sie wirken auf das Verhalten, zu dem sie kontingent vergeben werden. Das ist nicht unbedingt immer das Verhalten, das vom Anreizgeber beabsichtigt wurde.

Auch wenn es gelegentlich geleugnet wird, Anreize wie Geld, Vergünstigungen oder beruflicher Aufstieg können sehr wirksam sein und Menschen dazu motivieren, mehr oder anders zu arbeiten als ohne diesen Anreiz. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn das ist exakt das, was die Verhaltensanalyse aussagt: Die Konsequenzen des Verhaltens wirken auf diese zurück. Verhalten, das zum Erfolg geführt hat, wird später in ähnlichen Situationen wieder gezeigt – das ist das Effektgesetz nach Thorndike (1927). Doch in der Praxis lauern einige Tücken.

Zunächst einmal muss der Anreiz auch ein Anreiz sein. In der Regel funktioniert Geld als Anreiz sehr gut, einfach deshalb, weil Geld (zumeist) ein sogenannter generalisierter Verstärker ist: Man kann Geld gegen viele Dinge eintauschen, das macht es so attraktiv. Im Gegensatz zu Schokolade kann man von Geld nie genug haben. Doch ob etwas ein Verstärker ist oder nicht, hängt nicht nur von seinem Wert ab. Die Situation, in der ein Anreiz eingesetzt wird (welches Verhalten verstärkt werden soll und wer daran beteiligt ist), bestimmt mit, ob der Anreiz tatsächlich verstärkt, also wirkt: Selbst Geld ist für viele von uns kein Verstärker, wenn wir mit Geld dazu gebracht werden sollen, etwas zu tun, das uns widerstrebt oder wenn die Person, die uns das Geld anbietet, uns unsympathisch ist.

Viele Führungskräfte verkennen diese relationale Qualität (was als Anreiz wirkt, hängt von allen möglichen Begleitumständen ab) und wundern sich, warum die Mitarbeiter sich nicht durch den Anreiz motivieren lassen. Das betrifft nicht nur Geld, sondern auch alle anderen Anreize, die in der Managementliteratur gerne als Motivatoren gehandelt werden: berufliche Entscheidungsfreiheit, Kompetenzerleben, soziale Anerkennung. Sie wirken bei vielen, vielleicht den meisten Beschäftigten, und in vielen Situationen als Anreiz, aber vielleicht nicht auf alle Tätigkeiten oder Aspekte von Tätigkeiten. Bei einer eher „kreativen“ Leistung ist Entscheidungsfreiheit vermutlich oft ein guter Motivator. Bei einer eher mechanischen Tätigkeit eventuell nicht („Sie dürfen sich entscheiden, ob Sie erst die blauen oder erst die roten Teile zusammenschrauben“).

Doch gehen wir mal, grob vereinfachend, davon aus, dass Geld tatsächlich ein Anreiz für die Mitarbeiter ist (zumeist trifft das ja zu). Dann gibt es immer noch ein Problem, das gerne vernachlässigt wird und das dann dazu führt, dass Anreize entweder nicht wirken oder ganz katastrophale Nebenwirkungen haben. Denn, damit die Vergabe eines Anreizes in der beabsichtigten Weise wirkt, muss klar sein, welches Verhalten durch den Anreiz verstärkt werden soll. Verhaltenswissenschaftlich ausgedrückt: Der Anreiz muss kontingent auf ein bestimmtes Verhalten erfolgen. Wird der Anreiz dagegen nicht-kontingent vergeben (der Beschäftigte erhält den Anreiz, gleich welches Verhalten er zeigt), wirkt er auch nicht. Wird er kontingent auf das falsche Verhalten vergeben, so führt das dazu, dass man mehr von dem falschen Verhalten bekommt. Wie Aubrey Daniels (Daniels & Bailey, 2016) es ausdrückt: When you reinforce the wrong behavior, you’ll get more of it.

Ein Beispiel aus dem Bereich der Arbeitssicherheit: Viele Firmen geben Ihren Mitarbeitern Prämien, wenn diese unfallfrei arbeiten. Die Firmen tun dies, weil sie durch Arbeitsunfälle Geld verlieren (u. a. durch Ausfallzeiten), aber auch aufgrund der Sorge um die Gesundheit der Beschäftigten. Arbeitsunfälle resultieren oft aus dem Verhalten der Mitarbeiter. Die Prämie soll bewirken, dass die Mitarbeiter anders, nämlich sicherer arbeiten. Konkret sieht das so aus: Gibt es z. B. in einer Abteilung ein ganzes Jahr lang keinen Arbeitsunfall, erhält jeder Mitarbeiter dieser Abteilung am Ende des Jahres eine Prämie von 1000 Euro. Das funktioniert tatsächlich mehr oder weniger gut. Oft werden in diesen Firmen weniger Arbeitsunfälle berichtet (wobei die Wirkung auf die meldepflichtigen Unfälle geringer sein dürfte als auf die „kleinen“ Unfälle, die nur zu einem Eintrag ins Verbandbuch führen – aus Gründen, die sich dem Leser gleich erschließen). Doch ist dieser Rückgang wenigstens zum Teil darauf zurückzuführen, dass Unfälle verschwiegen werden. Anreizsysteme für „unfallfreies Arbeiten“ führen zum „Under-Reporting“ von Unfällen (Pransky, Snyder, Dembe & Himmelstein, 1999; Probst & Estrada, 2010). Der Anreiz „Geld“ wirkt, jedoch nicht in der beabsichtigten Weise.

Ein Anreizsystem, wie oben beschrieben, verletzt mehrere verhaltensanalytische Prinzipien. Der Anreiz wird zum einen nicht kontingent auf das Verhalten vergeben, dass tatsächlich gefordert ist: Sicherer zu arbeiten. Er wird kontingent auf das Ausbleiben eines Verhaltens, der Meldung eines Unfalls, vergeben. Anekdotische Beobachtungen verdeutlichen die Ergebnisse der oben zitierten Studien: In einer Firma mit einem solchen Prämiensystem berichteten mir die Mitarbeiter einmal, als ein Kollege neulich einen Unfall hatte, hätte ihn der Meister zu seinem Hausarzt gefahren und aufgefordert, nicht zu erzählen, dass das auf der Arbeit passiert sei. Kleinere Unfälle lassen sich leichter verschweigen als größere (daher meine Vermutung, dass die Wirkung des Prämiensystems auf die Erste-Hilfe-Fälle stärker ist als auf meldepflichtige Unfälle, denen in der Regel ein weniger leicht zu verschleierndes Ereignis zugrunde liegt).

Ein weiteres Problem mit diesem Anreizsystem ist der mangelhafte Zusammenhang zwischen dem aktuellen Verhalten und der Prämienvergabe am Ende des Jahres. Selbst wenn ich unterstelle, dass das Anreizsystem die Mitarbeiter motiviert, sicherer arbeiten zu wollen, wird ihnen das nur schwerlich aufgrund des Anreizes gelingen. Unfälle entstehen durch viele kleine Entscheidungen im Arbeitsalltag. Die unmittelbaren Bedingungen und Konsequenzen dieses Verhaltens wirken stärker als die Prämie am Ende des Jahres. Verhaltensanalytisch formuliert: Es mangelt an der Kontiguität von Verhalten (zu einem Zeitpunkt t0 entscheiden, ob ich eine PSA benutze oder nicht) und Konsequenz (zum Zeitpunkt t1 eine Prämie erhalten oder nicht). Und oft ist den Beschäftigten auch gar nicht klar, welche ihrer Handlungen zu dem Ziel, keinen Unfall zu haben, beitragen. Es mangelt also an der Operationalisierung der Verhaltensweisen, die zum Ziel „Unfallfreiheit“ führen.

Es wäre also besser, Anreize unmittelbar für ganz konkretes Verhalten zu vergeben. Beim Akkordlohn funktioniert das recht gut: Je mehr Teile ich produziere, desto mehr Geld bekomme ich. Will man komplexere Tätigkeiten mit Anreizen fördern, wird es etwas komplizierter, es ist aber immer noch machbar, wie die Arbeiten von William Abernathy (Abernathy, 1990, 1996, 2014) zeigen. Doch gibt es viele Fallstricke, die man vermeiden muss, damit die erwünschte Wirkung eintritt. Zumeist haben diese mit den Problemen der Aufrechterhaltung und der Generalisation der Verhaltensänderung zu tun.

Was die Aufrechterhaltung angeht, darf man sich die Vergabe von Anreizen nicht wie eine Art Gehirnoperation vorstellen: Der Mitarbeiter erhält einmalig einen Anreiz und verändert sein Verhalten dann dauerhaft. Menschen passen sich den Bedingungen, unter denen sie sich verhalten, an. Fällt ein Anreiz weg und sind die Bedingungen dann wieder genauso wie zuvor, wird auch das Verhalten wieder genauso wie zuvor auftreten. (Die Befürchtung, Anreize könnten die Motivation der Mitarbeiter dauerhaft beschädigen – also dazu führen, dass sie nach Wegfall des Anreizes nicht genauso viel, sondern dauerhaft weniger tun als vor der Vergabe des Anreizes – ist übrigens ein Mythos (Cameron, Banko & Pierce, 2001), auch wenn dieser von einigen Autoren hartnäckig wiedergekäut wird, siehe hierzu auch diesen Beitrag). Daraus folgt: Entweder man vergibt den Anreiz auf Dauer oder man überlegt sich, wie man den Anreiz wieder wegnehmen kann. In der Verhaltensanalyse bedeutet dies: Der geplante Anreiz soll, wenn das möglich ist, nach und nach durch natürliche Verstärkung (Ferster, 1967) ersetzt werden. Unter natürlicher Verstärkung versteht man die Folgen eines Verhaltens, die dieses aufrechterhalten, ohne dass jemand explizit auf das Verhalten Einfluss nimmt. Bringt man den Mitarbeitern, unterstützt durch ein Anreizsystem, z. B. bei, sich häufiger kundenfreundlich zu verhalten (z. B. Vergason & Gravina, 2020), kann dies dazu führen, dass die Interaktionen zwischen Beschäftigten und Kundinnen allgemein angenehmer verlaufen (z. B., der Kunde bedankt sich öfters beim Mitarbeiter). Das Bedanken des Kunden ist dann ein natürlicher Verstärker, der das kundenfreundliche Verhalten des Mitarbeiters auch ohne Intervention des Betriebes aufrechterhält. Ebenso kann ein verändertes Vorgesetztenverhalten (z. B. mehr auf positive Aspekte des Mitarbeiterverhaltens zu achten und dieses anzuerkennen) als natürlicher Verstärker wirken (wobei man wiederum fragen muss, was als natürlicher Verstärker für das veränderte Vorgesetztenverhalten wirken soll). Leider kann man sich aber nicht darauf verlassen, dass diese natürliche Verstärkung in jedem Fall auch eintritt. Man muss planen und korrigieren, wenn der erwünschte Effekt nicht eintritt.

Mit Generalisation ist gemeint, dass das (initial durch den Anreiz) verändert Verhalten nicht nur in einer bestimmten Situation eintritt und dass nicht nur dieses ganz spezielle Verhalten, sondern auch ähnliche Verhaltensweisen sich verändern. Bei Behavior Based Safety (BBS) werden beispielsweise meist nur wenige Verhaltensweisen der Mitarbeiter beobachtet und verstärkt. Je nach Design des BBS-Systems verändern sich aber auch andere Verhaltensweisen der Mitarbeiter hin zu sicherem Verhalten. Würde diese Generalisation nicht eintreten, wäre die Wirkung von BBS auf die Zahl der Arbeitsunfälle sehr begrenzt. Doch tritt Generalisation nicht automatisch und selbstverständlich ein. Es gibt Faktoren, die die Generalisation behindern (bspw. ein sehr rigides Vorgehen beim Training neuen Verhaltens) und solche, die sie fördern, z. B. ein variantenreicheres Training, oder aber, bei BBS eine stärkere Einbeziehung der Mitarbeiter in die Ausgestaltung des Trainings, insbesondere beim Festlegen von Zielen (siehe auch Stokes & Baer, 1977).

Das Problem mit Anreizen ist weniger, dass sie nicht wirken würden (sie wirken), sondern die Vorstellung, man könne sie im Arbeitsleben wie im Hundetraining als „Leckerli“ einsetzen. – Selbst im Hundetraining gilt es viele Rahmenbedingungen zu beachten, damit das Leckerli auch wirkt (Pryor, 2006). – Oder, wie der bereits zitierte Aubrey Daniels es ausdrückt: Wenn Sie denken, das ist einfach, dann machen Sie etwas falsch.

Literatur

Abernathy, W. B. (1990). Designing and Managing an Organization-Wide Incentive Pay System. W. B. Abernathy and Associates.

Abernathy, W. B. (1996). The sin of wages : where the conventional pay system has led us and how to find a way out. PerfSys Press.

Abernathy, W. B. (2014). Beyond the Skinner Box: The Design and Management of Organization-Wide Performance Systems. Journal of Organizational Behavior Management, 34(4), 235-254. https://doi.org/10.1080/01608061.2014.973631

Cameron, J., Banko, K. M., & Pierce, W. D. (2001). Pervasive negative effects of rewards on intrinsic motivation: The myth continues. The Behavior Analyst, 24(1), 1-44. https://doi.org/10.1007/bf03392017

Daniels, A. C., & Bailey, J. S. (2016). Performance Management: Changing Behavior that Drives Organizational Effectiveness (Fifth edition, revised. ed.). Performance Management Publications.

Ferster, C. B. (1967). Arbitrary and natural reinforcement. The Psychological REcord, 17(3), 341-347.

Pransky, G., Snyder, T., Dembe, A., & Himmelstein, J. A. Y. (1999). Under-reporting of work-related disorders in the workplace: a case study and review of the literature. Ergonomics, 42(1), 171-182. https://doi.org/10.1080/001401399185874

Probst, T. M., & Estrada, A. X. (2010). Accident under-reporting among employees: Testing the moderating influence of psychological safety climate and supervisor enforcement of safety practices. Accident Analysis & Prevention, 42(5), 1438-1444. https://doi.org/10.1016/j.aap.2009.06.027

Pryor, K. (2006). Positiv bestärken – sanft erziehen. Franckh-Kosmos.

Stokes, T. F., & Baer, D. M. (1977). An implicit technology of generalization. Journal of Applied Behavior Analysis, 10(2), 349-367. https://doi.org/10.1901/jaba.1977.10-349

Thorndike, E. L. (1927). The law of effect. The American Journal of Psychology, 39, 212-222. https://doi.org/10.2307/1415413

Vergason, C. M., & Gravina, N. E. (2020). Using a guest- and confederate-delivered token economy to increase employee–guest interactions at a zoo. Journal of Applied Behavior Analysis, 53(1), 422-430. https://doi.org/10.1002/jaba.599

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Wie wirksam ist Feedback? Und unter welchen Umständen ist es am wirksamsten?

Sleiman, Sigurjonsdottir, Elnes, Gage und Gravina (2020) legen ein Update der Reviews von Balcazar, Hopkins und Suarez (1985) und Alvero, Bucklin und Austin (2001) vor. Die systematische Literaturübersicht und Meta-Analyse deckt die Jahre 1998 bis 2018 ab. Ausgewertet wurden 96 Studien aus 71 Fachzeitschriftenartikeln, in denen im angewandten Kontext (Feldversuche) die Wirkung von Feedback auf die Leistung von Mitarbeitern untersucht wurde. Alles in allem kommen Sleiman et al. (2020) zu der Einschätzung, dass Feedback eine wirksame Intervention ist, die stabile und große Effekte auf die Leistung von Mitarbeitern hat. Des Weiteren werden die Effekte verschiedener Arten von Feedback differenziert betrachtet.

Die verhaltenswissenschaftliche Funktion von Feedback ist nicht eindeutig geklärt. Feedback kann als Verstärker oder Strafreiz begriffen werden, als Instruktion, als Leitfaden, als diskriminativer Stimulus, als Regel oder als motivierende Operation.

Es sind im Wesentlichen nur vier verschiedene Fachzeitschriften, in denen empirische Studien zur Wirkung von Feedback veröffentlicht werden, in denen es um die konkrete Auswirkung auf die Leistung und das Verhalten der Mitarbeiter geht und die dies nicht nur im Labor untersuchen. Es handelt sich um das

  • Academy of Management Journal (AMJ),
  • Journal of Applied Behavior Analysis (JABA),
  • Journal of Applied Psychology (JAP),
  • Journal of Organizational Behavior Management (JOBM)

Die bisherigen Reviews (Alvero et al., 2001; Balcazar et al., 1985) fanden aufgrund der Auswertung von Artikeln aus diesen Zeitschriften, dass

  • Feedback nicht generell und immer die Leistung von Mitarbeitern verbessert,
  • Feedback am besten wirkt, wenn es in Kombination mit anderen Interventionen (vorausgehenden Bedingungen, dem Setzen von Zielen und Konsequenzen) eingesetzt wird und dass
  • einige Eigenschaften von Feedback konsistent dafür verantwortlich sind, dass Mitarbeiter ihre Leistung steigern (z. B. dann, wenn Feedback täglich von den Vorgesetzten gegeben wird).

Inklusions- und Exklusionskritierien

Sleiman et al. (2020) werteten für den Zeitraum von 1998 bis 2018 die oben genannten Zeitschriften aus und legten die folgenden Kriterien an:

  • es wird über eine Studie oder Studien berichtet, in denen Feedback als Intervention eingesetzt wird,
  • die Intervention wurde im angewandten Kontext einer Organisation eingesetzt und
  • die Versuchspersonen waren bezahlte oder unbezahlte Mitarbeiter.

Ausgeschlossen wurden Beiträge,

  • in denen nur über Studien berichtet wurde, die in analogen Kontexten oder im Labor stattfanden,
  • die keine quantitativen Daten berichteten,
  • bei denen das Zielverhalten bei der Rate „Null“ bleiben sollte (wie z.B. Fehler bei der Bedienung der Kasse) und
  • die nicht genügend Informationen berichteten, um sie in das Kategoriensystem des Reviews einsortieren zu können.

Die analysierten Studien

Mit diesen Kriterien fanden Sleiman et al. (2020) insgesamt 71 Artikel, wobei in JABA 18 Artikel erschienen waren und in JOBM 53. In den beiden anderen Zeitschriften war kein einziger Artikel erschienen, der den oben genannten Kriterien genügte. Dies mag damit zu tun haben, dass in diesen Zeitschriften andere Aspekte von Feedback (z. B. die Auswirkung nicht auf das Verhalten, sondern auf die Wahrnehmung oder Selbstwirksamkeitserwartung der Feedbackempfänger) untersucht werden. In den 71 Artikeln wurde über insgesamt 96 Untersuchungen (Studien) berichtet.

Die Studien wurden nach ihrer methodischen Qualität unterteilt in solche, die den Standards des What Works Clearinghouses (Kratochwill et al., 2013) genügten (26 der 96 Studien, das sind 27,03 %) und solchen, bei denen dies nicht der Fall war.

Die gefundenen Studien wurden kategorisiert nach den Kriterien Interventionsmerkmale, Merkmale des Feedbacks und Wirksamkeit des Feedbacks. Dies entspricht den Kategorien, die auch bei Alvero et al. (2001) verwendet wurden. Zusätzlich wurden auch das Timing des Feedbacks (unmittelbar nach dem Verhalten oder verzögert) und die Natur des Feedbacks (positiv oder negativ) berücksichtigt. Weiterhin wurde erfasst, wer die Teilnehmer der Studie waren, in welchem Setting die Studie stattfand, das Untersuchungsdesign, die Dauer der Feedbackintervention, sowie die Beobachterüberreinstimmung und die Treatmentintegrität.

Als Effektstärke wurde Tau-U berechnet. Dabei gelten Tau-U-Werte von weniger als 0,2 als gering, zwischen 0,2 und 0,59 als mäßig, zwischen 0,6 und 0,79 als groß und über 0,8 als sehr groß. Die Tau-U-Werte wurden sowohl für alle Studien insgesamt als auch nur für die Studien, die die Kriterien des What Works Clearinghouses erfüllten, berechnet.

Effekt des Feedbacks

In 92,31 % aller Studien, die den Kriterien genügten, konnte eine starke bis sehr starke funktionale Relation nachgewiesen werden. Dies bedeutet, dass das Feedback tatsächlich in hohem Maße für die Verbesserung der Leistung der Mitarbeiter verantwortlich war. Betrachtet man alle Studien zusammen, hatten 59 (61,46 %) eine Effektstärke größer 0,8. Nur sieben Studien hatten eine Effektstärke kleiner 0,2. Dabei handelte es sich jedoch ausschließlich um Studien, bei denen den Maßnahmen kein Assessment voranging (also keine Untersuchungen darüber, welche Maßnahmen aus verhaltensanalytischer Sicht erforderlich waren). Die durchschnittliche Effektstärke für Feedback über alle Studien hinweg betrug 0,78. Betrachtet man nur die Studien, die den Kriterien genügten, betrug die Effektstärke 0,79. Über die Jahre hinweg, von 1998 bis 2018, zeigen die Effektstärken der Studien einen ansteigenden Trend, das heißt die in den Studien gemessene Wirkung von Feedback auf das Verhalten wurde stärker. Dies hat vermutlich mit der zunehmend besseren methodischen Qualität der Studien zu tun.

Feedback in Kombination mit anderen Interventionen

Feedback allein hatte eine große bis sehr große Effektstärke. Am häufigsten in Kombination eingesetzt wurde Feedback zusammen mit vorausgehenden Bedingungen. Die höchste Effektstärke überhaupt hatte die Kombination von Feedback, vorausgehenden Bedingungen und Verhaltenskonsequenzen (0,91). Fast gleichauf liegt die Kombination aus Feedback und Zielsetzungen (0,89), wenn man nur die Studien betrachtet, die die Kriterien erfüllen.

Quelle des Feedbacks

Selbst erzeugtes Feedback hatte über alle Studien hinweg die größte Effektstärke (0,90). Unter den Studien, die die Kriterien erfüllen, wies das Feedback von Vorgesetzten die höchste Effektstärke auf (0,85). Relativ gesehen am wenigsten wirksam war das Feedback von Experten (0,50).

Feedback-Medium

Am häufigsten wurde grafisches Feedback in Kombination mit verbalem Feedback eingesetzt. Alle Effektstärken der verschiedenen Formen von Feedback waren groß bis sehr groß.

Feedbackempfänger

Feedback, das an Individuen gerichtet war, hatte eine größere Effektstärke aus Feedback, das sich an Gruppen richtete.

Feedbackhäufigkeit

Feedback war, unabhängig von seiner Häufigkeit, immer mindestens mäßig wirksam, jedoch war tägliches und wöchentliches Feedback relativ gesehen am wirksamsten (Effektstärke 1,02).

Feedback-Timing

Feedback war dann am wirksamsten, wenn es innerhalb von 60 Sekunden nach dem Verhalten gegeben wurde (Effektstärke 0,87).

Art des Feedbacks

Positives Feedback wurde am häufigsten eingesetzt und war auch verglichen mit negativem Feedback wirksamer.

Die Autorinnen fassen zusammen, dass Feedback eine wirksame Intervention ist, die zuverlässig große bis sehr große Effektstärken hervorbringt. Herausragend waren dabei die Kombination aus Feedback, vorausgehenden Bedingungen und Verhaltenskonsequenzen, das selbsterzeugte Feedback, eine Kombination aus grafischem, verbalem und schriftlichem Feedback, individuelles, tägliches oder wöchentliches Feedback, sowie unmittelbares und positives Feedback. Zwischen privatem und öffentlichem Feedback gab es keine Unterschiede.

“The current review, Balcazar et al. (1985) and Alvero et al. (2001) suggest that a) feedback privacy does not play a role in feedback effectiveness, b) more frequent forms of feedback are more effective than less frequent forms of feedback, and c) supervisors as a feedback source are effective.” (p. 19).

Die Metaanalyse bestätigt die von mir schon länger getroffenen Aussagen zum Feedback:

  • Feedback ist desto wirksamer, je häufiger es gegeben wird.
  • Feedback ist desto wirksamer, je spezifischer es ist. Daher ist Feedback zum individuellen Verhalten, an ein Individuum gerichtet, prinzipiell am wirksamsten.
  • Feedback ist desto wirksamer, je schneller es auf das Verhalten folgt. Dies gilt vor allem für positives Feedback.
  • Feedback in Kombination mit Verstärkung ist wirksamer.

Zu der Frage, ob Feedback akkurat sein muss, um wirksam zu sein, kann die Metaanalyse keine Auskunft geben, da keine entsprechenden Studien beinhaltet waren. Jedoch weisen Laborstudien darauf hin, dass Feedback desto wirksamer ist, je akkurater es ist.

Literatur

Alvero, A. M.; Bucklin, B. R. & Austin, J. (2001). An objective review of the effectiveness and essential characteristics of performance feedback in organizational settings (1985 – 1998). Journal of Organizational Behavior Management, 21(1), 3-29.

Balcazar, F.; Hopkins, B. L. & Suarez, Y. (1985). A critical, objective review of performance feedback. Journal of Organizational Behavior Management, 7(3-4), 65-89.

Kratochwill, T. R.; Hitchcock, J. H.; Horner, R. H.; Levin, J. R.; Odom, S. L.; Rindskopf, D. M.et al. (2013). Single-case intervention research design standards. Remedial and Special Education, 34(1), 26-38.

Sleiman, A. A.; Sigurjonsdottir, S.; Elnes, A.; Gage, N. A. & Gravina, N. E. (2020). A quantitative review of performance feedback in organizational settings (1998-2018). Journal of Organizational Behavior Management, 40(3-4), 303-332.

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Feedback: Es richtig entgegen zu nehmen, hilft allen

Feedback ist eine weit verbreitete Methode, um auf das Verhalten von Mitarbeitern am Arbeitsplatz einzuwirken. Wenn man Feedback richtig einsetzt, kann dieses sehr wirksam sein (Alvero, Bucklin & Austin, 2001; Gravina et al., 2018). Insbesondere das Feedback, das ein Vorgesetzter unmittelbar und mündlich seinem Mitarbeiter gibt, ist weit verbreitet und wird in Studien oft untersucht. Dies betrifft vor allem korrektives Feedback. Positives Feedback wird oft öffentlich oder auch in Bezug auf Gruppen von Mitarbeitern gegeben. Zahlreiche Studien befassen sich damit, wie man Feedback richtig einsetzt, sodass es sich positive auf die Leistung der Feedbackempfänger auswirkt.

Ehrlich, Nosik, Carr und Wine (2020) gingen der Frage nach, wie sich das Verhalten des Mitarbeiters, also des Feedbackempfängers, auf die Wirksamkeit des Feedbacks auswirkt. Mitarbeiter reagieren oft defensiv, wenn sie korrektives Feedback empfangen. Sie führen z. B. ihre Defizite oft auf nicht von ihnen kontrollierbare Faktoren zurück oder greifen andere Personen oder gar den Feedbackgeber an. Diese negativen Reaktionen des Feedbackempfängers wirken wiederum als Strafreize auf den Vorgesetzten, der das Feedback übermittelt. Dies ist auch der Grund, weswegen wir selbst als Vorgesetzte ungern korrektives Feedback geben (wir wollen vermeiden, mit den negativen Reaktionen des Mitarbeiters konfrontiert zu werden) und weswegen generell korrektives Feedback vermieden wird (dies gilt natürlich nur im allgemeinen und nicht für jeden Vorgesetzten und jeden Mitarbeiter). Matey, Gravina, Rajagopal und Betz (2019) fanden etwa, dass die Teilnehmer ihrer Studie, die das Verhalten einer anderen Person beobachten sollten, weniger genau und akkurat beobachteten, wenn sie der entsprechenden Person auch Feedback geben sollten.

In der üblichen Managementliteratur gibt es nur wenige Hinweise darauf, wie man als Feedbackempfänger sein Verhalten verändern kann, so dass man selbst und derjenige, der einem das Feedback übermittelt, mit der Situation gut zurechtkommen und dass man vom Feedback tatsächlich auch profitiert. Einige Autoren geben Hinweise, ohne sich dabei auf empirische Belege stützen zu können. So wird geraten, nicht zu streiten, aktiv zuzuhören, das Feedback ohne Emotionen entgegenzunehmen usw. Ehrlich et al. (2020) entwickelten auf dieser Grundlage und aufgrund von Interviews mit Experten im Bereich der Verhaltensanalyse und der Unternehmensführung (Praktikern und Wissenschaftlern) eine Task Analysis, in der acht Verhaltensweisen beschrieben und erläutert werden, die man zeigen sollte, wenn man korrektives Feedback empfängt. Unter anderem gehört zu dieser Aufgabenbeschreibung, dass man zum Feedbacktreffen vorbereitet erscheint (z. B. mit Schreibmaterial), dass man Augenkontakt zum Feedbackgeber aufnimmt, dass man angemessene Nachfragen stellt, dass man das korrektive Feedback anerkennt, aktives Zuhören demonstriert, über Möglichkeiten der Verbesserung spricht und sich für das Feedback authentisch bedankt. Zu dieser Task Analysis entwickelten Ehrlich et al. (2020) noch eine Checkliste, die sie später bei den Beobachtungen des Mitarbeiterverhaltens verwendeten und bei der Punkte für unterschiedliche Ausführungen des geforderten Verhaltens vergeben wurden.

In ihrer Studie testeten Ehrlich et al. (2020), ob sich diese Verhaltensweisen trainieren lassen und ob sich das Befolgen dieser Verhaltensweisen auf die Qualität der Arbeit auswirkt. Ihre Versuchspersonen waren drei jüngere Mitarbeiterinnen einer kleinen Firma. Diese arbeiteten in der Kundenbetreuung und kommunizierten mit den Kunden über Telefon oder E-Mail. Die Mitarbeiterinnen waren zwei bis sechs Monate vor Beginn der Studie im Schreiben angemessener E-Mails trainiert worden. Es gab eine Checkliste, was die Mitarbeiterinnen beim Verfassen der E-Mail alles beachten sollten. Diese Checkliste diente später dazu, die Leistung der Mitarbeiterinnen in Abhängigkeit vom Feedback zu messen. An jedem zweiten Werktag traf sich die Versuchsleiterin (Rachel Ehrlich) mit jeder Mitarbeiterin einzelnen für eine Feedbacksitzung. Als Grundlage für dieses Treffen hatte die Versuchsleiterin zuvor mehrere ausgewählte E-Mails der Mitarbeiterin ausgewertet. Die Sitzung begann immer mit einer positiven Feststellung bezüglich der E-Mails, gefolgt von mehreren korrektiven Hinweisen. Bewusst wurde auch nur vages korrektives Feedback (in der Art wie „Mir gefiel nicht, wie Sie auf die Anfrage des Kunden reagiert haben“) gegeben, um der Mitarbeiterin so Gelegenheit zu Nachfragen zu geben. Die Versuchsleiterin promptete zudem das Verhalten des aktiven Zuhörens bei der Mitarbeiterin durch Fragen wie „Verstehen Sie was ich meine?“. Diese Feedbacksitzungen wurden, natürlich mit Einverständnis der Mitarbeiterin, auf Video aufgezeichnet und anschließend durch die Versuchsleiterin und den Zweitautor der Studie ausgewertet.

Zunächst wurde über mehrere Sitzungen die Basisrate des Verhaltens der Mitarbeiterinnen in den Feedbacksitzungen erfasst. Die Mitarbeiterinnen zeigten im Schnitt (von Mitarbeiterin zu Mitarbeiterin in unterschiedlichem Ausmaß) 40-75 % der geforderten Verhaltensweisen. Anschließend fand für jede Mitarbeiterin einzeln (zeitversetzt, da ein multiples Basisratendesign verwendet wurde) ein verhaltensorientiertes Fertigkeitstraining (Behavioral Skills Training, BST) statt. Hier wurden der Mitarbeiterin der Sinn des Trainings, die Inhalte der Task Analysis und weitere Hintergründe erklärt. Anschließend sah sich die Mitarbeiterin Videos eines Modellrollenspiels an, in dem eine Mitarbeiterin korrektives Feedback empfing. Die Mitarbeiterin (also die Versuchsperson) sollte nun die Checkliste verwenden, um das Verhalten der Mitarbeiterin im Video zu bewerten. In einem weiteren Schritt führten die Versuchsleiterin und die Mitarbeiterin selbst ein Rollenspiel zu einer Feedbacksitzung durch, wobei die Mitarbeiterin positives und korrektives Feedback bezüglich der Verhaltensweisen der Task Analysis erhielt. Durch diese Intervention verbesserte sich bei allen Mitarbeiterinnen der Anteil korrekt gezeigter Verhaltensweisen während der weiteren Feedbacksitzungen deutlich (je nach Mitarbeiterin auf im Schnitt 78-82 %). Auch bei späteren Beobachtungen in Feedbacksitzungen konnten die Mitarbeiterinnen das veränderte Verhalten beibehalten. Die Qualität der E-Mails der Mitarbeiterinnen verbesserte sich aufgrund der Intervention von (je nach Mitarbeiterin) 73-78 % auf 82-87 %. Die Mitarbeiterinnen berichteten übereinstimmend, dass sie das Training als hilfreich und infolgedessen auch die Feedbacksitzungen als angenehmer empfanden.

Dies ist vermutlich die erste Studie, bei der das Verhalten des Feedbackempfängers im Fokus stand. Natürlich gehören zum Feedback immer zwei Personen: der Feedbackgeber und der Feedbackempfänger. Auf beiden Seiten können Fehler gemacht werden. Die Studie von Ehrlich et al. (2020) sollte nicht so missverstanden werden, dass Mitarbeiter hier, unabhängig von der Qualität des Feedbacks und des Verhaltens des Feedbackgebers, zu einer unbedingten Akzeptanz des Feedbacks erzogen werden sollen. Viele von uns kennen sowohl die Rolle des Mitarbeiters und Feedbackempfängers als auch die Rolle des Vorgesetzten und Feedbackgebers und können sich in beide hineindenken. Die Untersuchung von Ehrlich et al. (2020) ist nur eine erste Pilotstudie. Doch lässt sich die von ihnen erarbeitete Task Analysis und Checkliste sicherlich gut für weitere Forschungen zu diesem Thema verwenden.

Literatur

Alvero, A. M.; Bucklin, B. R. & Austin, J. (2001). An objective review of the effectiveness and essential characteristics of performance feedback in organizational settings (1985 – 1998). Journal of Organizational Behavior Management, 21(1), 3-29. https://doi.org/10.1300/J075v21n01_02

Ehrlich, R. J.; Nosik, M. R.; Carr, J. E. & Wine, B. (2020). Teaching employees how to receive feedback: A preliminary investigation. Journal of Organizational Behavior Management, 1-11. https://doi.org/10.1080/01608061.2020.1746470

Gravina, N.; Villacorta, J.; Albert, K.; Clark, R.; Curry, S. & Wilder, D. (2018). A literature review of organizational behavior management interventions in human service settings from 1990 to 2016. Journal of Organizational Behavior Management, 38(2-3), 191-224. https://doi.org/10.1080/01608061.2018.1454872

Matey, N.; Gravina, N.; Rajagopal, S. & Betz, A. (2019). Effects of feedback delivery requirements on accuracy of observations. Journal of Organizational Behavior Management, 39(3-4), 247-256. https://doi.org/10.1080/01608061.2019.1666773

 

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Leistungsstarke und leistungschwache Mitarbeiter profitieren von objektivem und vergleichendem Feedback in unterschiedlicher Weise

Feedback ist generell eine sehr wirksame Strategie, um Verhaltensänderungen zu ermöglichen (Alvero, Bucklin & Austin, 2001; Balcazar, Shupert, Daniels, Mawhinney & Hopkins, 1989). Dabei muss man jedoch zwischen dem objektiven Feedback und dem sozialen Vergleichsfeedback unterscheiden. Objektives Feedback beinhaltet objektive Informationen über die Leistung eines Individuums oder einer Gruppe im Vergleich zu der früheren Leistung dieses Individuums oder dieser Gruppe. Soziales Vergleichsfeedback vergleicht die Leistung eines Individuums oder einer Gruppe mit der von anderen Individuen oder Gruppen. Im ersten Fall ist das Feedback also unabhängig davon, wie andere Individuen oder Gruppen abgeschnitten haben, im zweiten Fall hängt die Qualität des Feedbacks nicht nur an der Leistung des Feedbacksempfängers, sondern auch davon ab, welche Leistung andere Individuen oder Gruppen erbracht haben. In den beiden, schon etwas älteren Überblicksartikeln zur Wirkung von Feedback (Alvero et al., 2001; Balcazar et al., 1989) hatten beide Formen von Feedback in etwa die gleiche Auswirkung auf das Verhalten der Feedbackempfänger. Doch muss man bedenken, dass Feedback äußerst selten alleine daherkommt, zumeist wird es kombiniert mit Lob oder Kritik. Insbesondere die Kombination mit Lob kann aus positivem Feedback einen wirksamen, konditionierten Verstärker machen. Die Kombination mit Kritik kann aus negativem Feedback dagegen einen konditionierten Strafreiz machen. Man vermutet zudem, dass leistungsstarke Mitarbeiter besser auf soziales Vergleichsfeedback ansprechen, wohingegen leistungsschwächeren Mitarbeiter von objektivem Feedback profitieren.

Moon, Lee, Lee und Oah (2017) untersuchten in einer Studie mit 150 Studierenden die Auswirkung von objektivem und sozialem Vergleichsfeedback auf die Leistung der Versuchspersonen in einer Dateneingabeaufgabe. Zunächst sollten die Versuchspersonen 20 Minuten langen Überweisungsdaten in den Computer eingeben. Im Anschluss an diesen Vortest wurden die Versuchspersonen aufgrund ihrer erbrachten Leistung in Gruppen eingeteilt. Die oberen 40 % der Versuchspersonen (in Bezug auf ihre Leistung) und die unteren 40 % der Versuchspersonen nahmen weiter teil, die mittleren 20 % schieden aus der weiteren Untersuchung aus. Diese 60 leistungsstärksten und 60 leistungsschwächsten Versuchspersonen wurden nun wiederum jeweils einer von zwei Gruppen zugeteilt. Der eine Teil der Versuchspersonen erhielt im folgenden objektives Feedback zu seiner Leistung, der andere Teil der Versuchspersonen soziales Vergleichsfeedback. Die Versuchspersonen nahmen drei Tage später an drei weiteren Sitzungen teil, die jeweils von zehn Minuten Pause unterbrochen waren. Zu Beginn jeder Sitzung erhielten die Versuchspersonen Feedback über ihre Leistung in der vorhergehenden Sitzung (bei der ersten Sitzung über die Leistung im Vortest). Die Versuchspersonen, die objektives Feedback erhielten, bekamen schriftlich mitgeteilt, wie viele Dateneinträge sie korrekt vorgenommen hatten. Den Versuchspersonen, die soziales Vergleichsfeedback erhielten, wurde schriftlich mitgeteilt, welchen Rang sie innerhalb der Gruppen von Versuchspersonen, die soziales Vergleichsfeedback erhielten, einnahmen (also, der oder die Wievielt-Beste sie waren).

Moon et al. (2017) fanden einen signifikanten Interaktionseffekt zwischen dem Leistungsniveau der Versuchspersonen und der Art des Feedbacks. Das soziale Vergleichsfeedback erwies sich vor allem für die leistungsstarken Versuchspersonen als vorteilhaft. Sie bearbeiteten unter dieser Bedingung im Schnitt 22,06 Aufgaben während einer Sitzung. Erhielten die leistungsstarken Versuchspersonen dagegen objektives Feedback, bearbeiteten sie nur 19,82 Aufgaben. Die leistungsschwächeren Versuchspersonen profitierten dagegen eher von objektivem Feedback. Unter dieser Bedingung bearbeiteten sie im Schnitt 16,2 Aufgaben, bei sozialem Vergleichsfeedback bearbeiteten sie nur 13,38 Aufgaben je Sitzung. Moon et al. (2017) geben auch den Verlauf der Leistung der Versuchspersonen in den einzelnen Gruppen über die Sitzungen hinweg wieder. Die Leistungen der Versuchspersonen entwickelten sich über die Sitzungen hinweg in den Gruppen, die objektives und in den Gruppen, die soziales Vergleichsfeedback erhielten, allmählich auseinander. Dies spricht für eine tatsächliche, differenzielle Wirkung des Feedbacks auf die Versuchspersonen.

Literatur

Alvero, A. M.; Bucklin, B. R. & Austin, J. (2001). An objective review of the effectiveness and essential characteristics of performance feedback in organizational settings (1985 – 1998). Journal of Organizational Behavior Management, 21(1), 3-29.

Balcazar, F. E.; Shupert, M. K.; Daniels, A. C.; Mawhinney, T. C. & Hopkins, B. L. (1989). An Objective Review and Analysis of Ten Years of Publication in the Journal of Organizational Behavior Management. Journal of Organizational Behavior Management, 10(1), 7-37.

Moon, K.; Lee, K.; Lee, K. & Oah, S. (2017). The Effects of Social Comparison and Objective Feedback on Work Performance Across Different Performance Levels. Journal of Organizational Behavior Management, 37(1), 63-74.

 

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Unfähig, uneinsichtig und uninteressiert

Je unfähiger jemand in einem bestimmten Bereich ist, desto weniger kann er das Ausmaß seiner Unfähigkeit einschätzen und desto weniger interessiert er sich dafür, sich zu verbessern: Das ist die deprimierende Botschaft des Dunning-Kruger-Effekts.

So wie wir uns sehen, sehen uns die anderen nicht. So wie wir uns sehen, sind wir aber auch gar nicht. Die Selbsteinschätzung der Führungsfähigkeit von Vorgesetzten korreliert beispielsweise nur zu 0,04 mit halbwegs objektiven Kriterien (Mabe & West, 1982). Die Divergenz zwischen Realität und Selbsteinschätzung ist dummerweise gerade dann besonders groß, wenn die Fähigkeit, die eingeschätzt werden soll, sehr gering ausgeprägt ist. Je schwächer jemand in einem bestimmten Bereich ist, desto fehlerhafter ist seine Selbsteinschätzung. Die Ursache für dieses Phänomen ist der Dunning-Kruger-Effekt (Kruger & Dunning, 1999). Er tritt dann auf, wenn diejenige Fähigkeit, die erforderlich ist, um die eigene Leistung einzuschätzen, dieselbe ist, die man benötigt, um die Leistung überhaupt zu erbringen. Menschen, die schwache Leistungen erbringen, haben demnach ein doppeltes Defizit: Ihre Leistung ist gering und sie sind unfähig, dies zu erkennen. Oder, wie der Volksmund sagt: Man kann genauso wenig selbst feststellen, dass man schlecht riecht, wie man selbst feststellen kann, dass man dumm ist.

Die Fehleinschätzung bezüglich einer bestimmten Leistung (bei geringer Leistung) ist nicht motivational bedingt. Das heißt, diese Personen geben nicht nur vor, sich eigentlich für kompetenter zu halten, sie glauben es wirklich. Sie können diese Einschätzung selbst dann nicht korrigieren, wenn sie für eine akkuratere Selbsteinschätzung bezahlt werden (Ehrlinger et al., 2008). Dieser Effekt tritt nicht nur im Labor auf. Schlechte Schachspieler überschätzen ihre Leistung in Turnieren und schwache Studenten überschätzen die von ihnen erreichte Punktzahl in Tests. Alles in allem scheinen Menschen, die geringe Leistungen erbringen, oft nicht in der Lage zu sein, das Ausmaß ihrer Defizite einzuschätzen, egal, wie ehrlich und unparteiisch sie sich um eine adäquate Selbsteinschätzung bemühen.

Sheldon et al. (2014) untersuchten den Dunning-Kruger-Effekt im Bereich der sozialen oder emotionalen Kompetenz. Ihre Versuchspersonen waren knapp 400 Studenten, überwiegend im Fach Betriebswirtschaft, die Tests zur sogenannten emotionalen Intelligenz bearbeiten und ihre Fähigkeiten in diesem Bereich selbst einschätzen sollten. Als emotionale Intelligenz bezeichnet man die Fähigkeit, Emotionen in zwischenmenschlichen Situationen wahrzunehmen, zu verstehen, zu regulieren und einzusetzen. Diejenigen, die in den entsprechenden Tests am schlechtesten abschnitten, überschätzen ihre Fähigkeiten am meisten. Dies zeigt, dass der Dunning-Kruger-Effekt auch bei diesen Fähigkeiten auftritt: Die Fähigkeit, die man benötigt, um sich „emotional intelligent“ zu verhalten, ist dieselbe, die man benötigt, um ein Defizit im Bereich der emotionalen Intelligenz festzustellen.

Sheldon et al. (2014) fanden zudem, dass auch die Bereitschaft, Feedback anzunehmen, bei den vom Dunning-Kruger-Effekt Betroffenen eingeschränkt ist. Sie meldeten den Versuchspersonen ihre Leistungen in den Tests zurück. Aber auch nachdem sie ihre Leistungen erfahren hatten, hielten die „schwachen“ Versuchspersonen an ihrer Selbsteinschätzung fest. Sie stellten nun die Angemessenheit oder die Bedeutsamkeit des Feedbacks in Frage, d. h. entweder sie bezweifelten die Aussagekraft der Tests oder sie stellten in Frage, dass die Eigenschaft „emotionale Intelligenz“ überhaupt wichtig ist. Sie äußerten auch kein Interesse an Maßnahmen zur Verbesserung der emotionalen Intelligenz, sei dies das Lesen eines Buches oder die Teilnahme an einem Training. Paradoxerweise waren vor allem die Versuchspersonen, die am besten abschnitten, an einer weiteren Verbesserung ihrer Fähigkeiten interessiert.

Das doppelte Problem des Dunning-Kruger-Effekts scheint ein drei- bis vierfaches zu sein: Wer in einem bestimmten Bereich inkompetent ist, kann das nicht nur schlecht einschätzen, er kann auch Feedback nicht zur Verbesserung seiner Leistung nutzen und er ist nicht daran interessiert, sich zu verändern.

Literatur

Ehrlinger, J.; Johnson, K.; Banner, M.; Dunning, D. & Kruger, J. (2008). Why the unskilled are unaware: Further explorations of (absent) selfinsight among the incompetent. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 105, 98-121. doi:10.1016/j.obhdp.2007.05.002

Kruger, J. & Dunning, D. (1999). Unskilled and unaware of it: How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments. Journal of Personality and Social Psychology, 77, 1121-1134. doi:10.1037/0022-3514.77.6.1121

Mabe, P. A., III & West, S. G. (1982). Validity of self-evaluation of ability: A review and meta-analysis. Journal of Applied Psychology, 67, 280-296. doi:10.1037/0021-9010.67.3.280

Sheldon, O. J.; Dunning, D. & Ames, D. R. (2014). Emotionally unskilled, unaware, and uninterested in learning more: Reactions to feedback about deficits in emotional intelligence. Journal of Applied Psychology, 99(1), 125-137. doi:10.1037/a0034138

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Pünktlichkeit fördern

Wer kennt das nicht: Eine Besprechung wurde für eine bestimmte Uhrzeit angesetzt, man selbst ist pünktlich, aber einige oder alle anderen tröpfeln erst so nach und nach ein. Die Zeit, in der man auf die anderen wartet, hätte man auch sinnvoller verbringen können. Fienup et al. (2013) analysierten und therapierten dieses Problem in einer schulpsychologischen Einrichtung, in der es verschiedene Arten von Besprechungen mit unterschiedlichem Teilnehmerkreis gab. Nachdem die Basisrate erhoben worden war und die Ursachen des Zuspätkommens analysiert, wurden einige Änderungen eingeführt. Der Organisator der Besprechung sollte nun immer 24 Stunden vor dem Termin eine Erinnerungs-E-Mail an alle Teilnehmer schicken. Besprechungen wurden auf nur mehr 50 Minuten begrenzt, wobei nur zu jeder vollen Stunde eine Besprechung beginnen sollte (sodass die Teilnehmer zwischen den Terminen Zeitspielräume hatten). Jeder, der pünktlich zu einer Besprechung erschien, erhielt vom Organisator einen Coupon, auf dem für das pünktliche Erscheinen gedankt wurde. Diese Coupons kamen in ein großes Glas, aus dem jeden Monat zwei Coupons gezogen wurden. Die Gewinner dieser Lotterie bekamen dann einen Gutschein über $ 25.

Während der Basisratenbeobachtung waren die Teilnehmer der Besprechungen im Schnitt (je nach Besprechungstyp) 10 Minuten, 15 Minuten und 13,3 Minuten zu spät. Diese Werte sanken mit den (für die Besprechungstypen gestaffelt eingeführten) Maßnahmen auf 3,1 Minuten, 2 Minuten und 0,5 Minuten. Auch der Anteil der pünktlich erscheinenden (zu Beginn der Besprechung bereits anwesenden) Mitarbeiter stieg dramatisch von 35 %, 38 % und 31 % auf 79 %, 70 % und 89 %. Dabei hatten sich die Organisatoren der Besprechungen gar nicht einmal immer an die vereinbarten Maßnahmen gehalten. Nur in 38 % der Fälle wurde 24 Stunden vor Beginn der Besprechung eine Erinnerungs-E-Mail gesendet und an die 50-Minuten-Regel hielten sich die Organisatoren auch nur in 14 % der Fälle. Die Coupons wurden dagegen immer (in 100 % der berechtigten Fälle) ausgegeben. Obwohl so vereinbart, waren in den Besprechungsräumen keine Uhren aufgehängt worden.

Literatur

Fienup, Daniel M.; Luiselli, James K.; Joy, Megan; Smyth, Deborah & Stein, Ravit. (2013). Functional assessment and intervention for organizational behavior change: Improving the timeliness of staff meetings at a human services organization. Journal of Organizational Behavior Management, 33(4), 252-264.

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Kreditkartenklau und Ausweiskontrolle

Selten einmal fragt ein Kassierer nach dem Ausweis, wenn mit der Kreditkarte gezahlt wird. Dabei wäre dies ein wirksames Mittel gegen den sog. Identitätsdiebstahl. Wenn die Kassierer Feedback erhalten, verbessert sich das Abfrageverhalten.

Der sogenannte Identitätsdiebstahl betrifft vor allem die Unterschlagung von Kreditkarten. Durch gestohlene Kreditkarten entstehen in den USA jedes Jahr Schäden in Milliardenhöhe, in jedem Einzelfall mehrere 10.000 Dollar. Eine wirksame Maßnahme gegen den Identitätsdiebstahl besteht darin, Kunden, die mit Kreditkarte zahlen, um die Vorlage eines Personalausweises oder Führerscheins zu bitten. Leider tun das die wenigsten Kassierer regelmäßig. Downing und Geller (2012) konnten zeigen, wie man die Häufigkeit, mit der Kassierer nach dem Ausweis fragen, wenn ein Kunde mit der Kreditkarte zahlt, steigern lässt. Die 21 Kassierer eines Lebensmittelgeschäfts nahmen an der Maßnahme teil. 28 Kassierer eines anderen Geschäfts dienten als Kontrollgruppe. In den ersten 39 Tagen wurde lediglich die Basisrate erfasst. Dazu stand ein Forschungsassistent (für den Kassierer sichtbar) in der Nähe der Kasse und beobachtete, ob der Kassierer nach dem Ausweis fragte oder nicht. Insgesamt wurden während der ganzen Untersuchungsdauer knapp 2000 Bezahlvorgänge mit Kreditkarte beobachtet (insgesamt fanden über 12.000 Beobachtungen statt). Während der Basisratenphase fragte der Kassierer in nur 0,2 % (in der Kontrollgruppe 0,3 %) aller Fälle, in denen ein Kunde mit Kreditkarte zahlte, nach dem Ausweis. Nicht gezählt wurden alle Bezahlvorgänge, bei denen keine Kreditkarte benutzt wurde. Auch in dem Fall, dass ein Kunde Alkohol oder Zigaretten kaufte, wurde der Vorgang nicht gewertet, da der Kassierer hier aus anderen, gesetzlichen Gründen nach dem Ausweis fragen muss. Nach dieser Basisrate fand ein Treffen der Kassierer statt, bei dem die Forscher mit den Mitarbeitern über die Notwendigkeit der Identitätsprüfung diskutierten und anschließend alle gemeinsam ein Ziel vereinbarten. Die Mitarbeiter einigten sich darauf, künftig in mindestens 15 % aller Fälle, in denen ein Kunde mit Kreditkarte bezahlt, diesen nach seinem Ausweis zu fragen. An den folgenden 23 Tagen erhielten die Kassierer jeden Morgen mündliches Feedback darüber, wie zu wie viel Prozent sie am Vortag bei Kreditkartenzahlungen nach dem Ausweis gefragt hatten. Dieser Anteil betrug über die Zeit hinweg im Schnitt 9,7 % (in der Kontrollgruppe zur selben Zeit nur 0,4 %). Anschließend wurde noch einmal 15 Tage lang nur beobachtet, ohne dass die Kassierer Feedback erhielten. Nun wurde nur noch in 2,3 % aller Fälle nach dem Ausweis gefragt (Kontrollgruppe 0,7 %).

Die Kassierer und eine Auswahl der Kunden wurde zudem befragt, wie sie die Maßnahme (das Fragen nach dem Ausweis) fanden. Aus eine Skala von 1 bis 5 (wobei 5 bedeutete, dass die Maßnahme sehr befürwortet wurde) gaben die Kassierer im Schnitt einen Wert von 2,4, die Kunden von knapp 4. Beide Gruppen, die Kassierer und die Kunden, fanden die Maßnahme sinnvoll und richtig, den Aufwand vertretbar. Als problematisch wurde beschrieben, dass viele Kunden den Kassierern persönlich bekannt waren. In diesen Fällen war es nicht sinnvoll, nach einem Ausweis zu fragen. Auch die geringe  Unterstützung durch die Führungskräfte wurde von den Kassierern bemängelt.

Literatur

Downing, Christopher O. & Geller, E. Scott. (2012). A goal-setting and feedback intervention to increase ID-Checking behavior: An assessment of social validity and behavioral impact. Journal of Organizational Behavior Management, 32(4), 297-306.

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Empfehlenswert: Aubreys Blog

Aubrey Daniels ist einer der profiliertesten Verhaltensanalytiker im Bereich des Organizational Behavior Management, unter anderem aufgrund seiner Bücher, sowohl Fachbücher zum Performance Management als auch unterhaltsame Titel wie „OOPS! 13 Management Practices That Waste Time & Money„, „Other Peoples Habits“ und „Bringing Out the Best in People„. Daneben ist er ein sehr erfolgreicher Unternehmensberater, der es schafft, wissenschaftliche Ergebnisse anschaulich zu vermitteln, ohne seine behavioristisch-verhaltensanalytischen Wurzeln zu verleugnen. Sein Blog ist lesenswert und eine Empfehlung. Auch das Thema „verhaltensorientierte Arbeitssicherheit“ (Behavior Based Safety, BBS) wird hier unterhaltsam dargestellt. Aubrey Daniels zieht Parallelen zwischen den Erziehungpraktiken und der Art, wie man mit seinen Mitarbeitern umgeht.

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