Wie man sich Musik vorstellt

Was passiert, wenn wir uns Musik vorstellen? Oder wie die Stimme eines anderen Menschen klingt?

Der radikale Behaviorismus geht von der Kontinuität des Verhaltens aus: Auch verdecktes Verhalten ist Verhalten. Wenn wir uns vorstellen, dass wir sprechen, sprechen wir, ohne den Mund aufzumachen. Die Ergebnisse der Neurowissenschaften bestätigen diese Annahme: Bei vorgestellter Sprache sind dieselben Hirnareale aktiviert, wie bei lautem Sprechen. Die Muskeln des Sprechapparates werden nur nicht wirklich aktiviert. Traditionellerweise und von den kognitiven Psychologen wird dagegen angenommen, dass beim Vorstellen von Sprache und Musik die Person mit einer Art innerem Ohr hört, was von einem Speicher abgerufen wird. Doch solche Beschreibungen sind größtenteils zirkulär und sie erklären nicht, was die Person wirklich tut, wenn sie sich etwas vorstellt.

Schlinger (2009) schlägt folgende Interpretation vor: Was er tut, wenn er sich Beethovens fünfte Symphonie vorstellt, ist, sie verdeckt (das heißt, sub-vokal) zu singen (oder zu summen). Wenn wir uns vorstellen, wie jemand spricht, imitieren wir seine Stimme; wir hören uns selbst zu, wie wir den Klang der Stimme sub-vokal (für andere nicht hörbar) nachahmen.

Skinner (1945) vermutete, dass etwas bewusst zu tun bedeutet, dass wir auf unser eigenes Verhalten verbal reagieren. Wenn ich mich an die Fahrt zur Arbeit erinnern kann, habe ich auf mein eigenes Verhalten im Auto verbal reagiert. Wenn ich mich nicht mehr erinnern kann, habe ich während der Fahrt etwas anderes getan, nicht verbal auf meine Autofahrt reagiert.

Nachtrag zu „wir hören uns selbst zu“: Diese Formulierung ist, genau genommen, sprachlich unscharf und ein unfreiwilliger Dualismus. Tatsächlich hören wir uns nicht selbst zu. Wir tun etwas (z. B. subvokal summen). Punkt.

Literatur

Schlinger, Henry D. (2009). Auditory imagining. European Journal of Behavior Analysis, 10(1), 77-85.

3 Kommentare

Eingeordnet unter radikaler Behaviorismus, Sprache, Verhaltensanalyse

3 Antworten zu “Wie man sich Musik vorstellt

  1. Fragener

    Hmm. Ich hätte das mehr damit in Verbindung gebracht, was Skinner über das Erinnern schrieb: Wir stellen bestimmte Umweltkontingenzen wieder her, um ein bestimmtes Verhalten wieder zu erzeugen.

    Wenn man die Musik immer verdeckt für sich Pfeiffen müsste (oder summen), was für Denken ja noch angeht, wie funktioniert das bei komplexen Instrumentalstücken oder mit Musik, die man nicht mehr effektiv singen, pfeiffen oder summen kann wie Synthesizer-Sound, „Neue Musik“ oder sehr komplexe Stücke?

    Das kann ich mir nur schwer als ein verdecktes Summen vorstellen…

    • Naja, ich würde sagen, dass man sich – außer man hat sehr viel Lernerfahrung in diesem Bereich – Zwölftonmusik und Ähnliches auch kaum vorstellen kann, zumindest nicht so gut wie man sich den Flohwalzer vorstellen kann.

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