Nichtraucher werden durch Gutscheinprogramme

Viele Raucher möchten das Rauchen aufhören, schaffen es aber nicht. Hilfreich sind Programme, bei denen Nikotinabstinenz belohnt wird.

Sich das Rauchen abzugewöhnen, ist schwer. Als hilfreich haben sich hier Programme erwiesen, bei denen der Raucher für die Reduktion des Tabakkonsums bzw. letztlich für die Nikotin-Abstinenz positiv verstärkt wird (sog. Kontingenzenmanagementprogramme). Üblicherweise funktionieren solche Programme so: Der Raucher gibt eine Probe seiner Atemluft, welche auf den Gehalt an Kohlenmonoxid (CO) geprüft wird. Rauchen erhöht den CO-Anteil der Atemluft. Die Atemluft eines Menschen, der vor 15 Minuten eine Zigarette geraucht hat, enthält ca. 30 Anteile CO je einer Millionen Anteile Atemluft (parts per million, ppm). Dieser Anteil verringert sich wieder, wenn man nicht raucht; die Halbwertszeit des Kohlenmonoxids in der Atemluft beträgt etwa sechs bis acht Stunden. In den erwähnten Verstärker-Programmen zur Rauchentwöhnung erhält der Teilnehmer für eine Atemluftprobe, die unter einem bestimmten Wert (z.B. 4 ppm als Kriterium für Rauchabstinenz) liegt, eine Art Gutschein, die er gegen ein Objekt seiner Wahl eintauschen kann. Die Programme funktionieren sehr gut, erfordern aber, dass der Teilnehmer mindestens zwei mal am Tag persönlich eine Atemluftprobe abgibt.

Dallery und Glenn (2005) berichten von einem Gutscheinprogramm zur Rauchentwöhnung, welches das Internet nutzte. Hierzu nutzten sie eine Webcam, ein Laptop mit Internetzugang und eine Atemluftanalysegerät. Diese Ausstattung wurde den vier Teilnehmern jeweils zuhause zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmer waren starke Raucher (mehr als 20 Zigaretten am Tag), die ansonsten gesund und nicht alkohol- oder drogenabhängig waren. Zwei mal am Tag, mit mindestens 8 Stunden Abstand dazwischen (also z. B. morgens vor und abends nach der Arbeit), sollten die Teilnehmer das Laptop starten, die Webcam anschalten und eine Filmaufnahme ihrer Atemspende anfertigen. Die Aufnahme sollte

  • das eingeschaltete Atemluftanalysegerät, bei dem vor Beginn der Atemspende klar zu erkennen sein musste, dass die Anzeige auf „Null“ war und
  • den Teilnehmer selbst

zeigen.

Der Teilnehmer sollte nun seine Atemspende in das Atemluftanalysegerät geben und dabei voll ausatmen. Wenn die Atemspende korrekt gegeben wurde, war ein Pfeifgeräusch zu hören. Anschließend konnte der Wert an CO in ppm auf der Anzeige abgelesen werden. Diese Aufnahme sollte der Teilnehmer dann speichern. Beim Speichern wurde automatisch die Uhrzeit der Aufnahme protokolliert, zudem waren die Laptops zugriffsbeschränkt, so dass es dem Teilnehmer nicht möglich war, die Aufnahme oder den Aufnahmezeitpunkt zu manipulieren. Diese Datei sollte der Teilnehmer anschließend per E-Mail an die Untersucher schicken. Diese ganze Prozedur dauerte 35 bis 45 Sekunden. Die Untersucher entnahmen dieser E-Mail den Zeitpunkt der Spende und den CO-Wert und übertrugen diese Daten in eine Graphik, die auf einer nur dem Teilnehmer zugänglichen Internetseite abgelegt war. Zugleich wurde dem Teilnehmer ein bestimmter Betrag in Form von Gutscheinen gutgeschrieben, die er bei Internethändlern (z.B. amazon.com) einlösen konnte.

Zunächst wurde die Basisrate erhoben. Die Teilnehmer sollten über mehrere Tage hinweg zweimal am Tag eine Atemspende abgeben und erhielten für je zwei korrekt übersendete Aufnahmen einen Gutschein über $5. Die Dauer dieser Basisratenerhebung variierte zwischen 3 und 6 Tagen, da die Untersucher ein Multiple-Baseline-Design verwendeten (die einzelnen Phasen der Untersuchung setzten bei den verschiedenen Teilnehmern zu verschiedenen Zeitpunkten ein).

In den nächsten vier Tagen sollten die Teilnehmer ihren Tabakkonsum schrittweise reduzieren. Die Teilnehmer hatten zuvor Informationen darüber erhalten, wie man den Tabakkonsum am besten reduzieren kann. Diese Informationen waren auch auf der persönlichen Website der Teilnehmer abgelegt. Das Ziel war, vom jeweiligen CO-Level ausgehend, nach vier Tagen ein CO-Level von 4 ppm zu erreichen, wobei jede Atemspende einen entsprechend niedrigeren CO-Wert aufweisen sollte. Für jede Atemspende, die den Anforderungen entsprach, erhielten die Teilnehmer in dieser Phase einen Gutschein über $3.

In der daran anschließenden Abstinenzphase (zehn Tage) mussten alle Atemspenden weniger als 4 ppm CO aufweisen, um als negativ zu gelten. Für die erste negative Spende erhielt der Teilnehmer 3$, für jede weitere negative Spende je $0,25 mehr. Für jede dritte negative Spende in Folge erhielt der Teilnehmer einen Bonus von $5. Wenn der Teilnehmer eine positive Probe abgab oder eine Probe ausließ ohne den Untersuchern Bescheid zu geben, lag der Wert der nächsten negativen Probe wieder bei $3. Die nächsten drei negativen Spenden erhöhten den Wert der Gutscheine dann wieder um $0,25, mit der vierten negativen Spende in Folge kehrte der Teilnehmer wieder auf das Gutscheinniveau vor dem „Ausrutscher“ zurück.

In der Ausdünnungsphase (vier Tage) konnten die Teilnehmer für ihre vierte und ihre achte Spende $5 erhalten, wenn sie negativ war. Für alle anderen Spenden gab es keine Regelung, das heißt, es war egal, ob die Spenden positiv oder negativ waren. Diese Phase sollte sicherstellen, dass die Teilnehmer nicht unmittelbar ohne Übergang aus dem Gutscheinprogramm fielen.

In den letzten fünf Tagen wurden wieder die Basisraten-Bedingungen in Kraft gesetzt, d.h. das Abgeben zweier Spenden brachte dem Teilnehmer $5. Insgesamt konnte ein Teilnehmer im Lauf der Studie maximal $171,50 „verdienen“.

Drei der vier Teilnehmer erreichten in der Abstinenz-, der Ausdünnungs- und der letzten Phase das Kriterium der Abstinenz (weniger als 4 ppm CO). Beim vierten Teilnehmer traten im Lauf der Studie erhebliche familiäre Probleme auf, was sich in der Grafik deutlich niederschlug: Der Teilnehmer rauchte wieder verstärkt. Die Teilnehmer berichteten, dass sie das Abgeben der Proben unproblematisch fanden.

Die Autoren entwickelten auch eine technische Lösung, durch die Versuchspersonen auch vom heimischen PC aus an einem solchen Programm teilnehmen können: Dabei loggt sich der Teilnehmer auf einer Internetseite ein, die ihm dann einen Zahlen- und Buchstabencode mitteilt. Dieser Code ermöglicht eine fälschungssichere Zeitangabe und muss dann auch auf der Aufnahme der Atemprobe auf dem Bildschirm gut sichtbar sein. Eine weitere Verbesserung der Praktikabilität des Programms lässt sich dadurch erreichen, dass der Teilnehmer vor Beginn der Studie das Geld für die Gutscheine selbst bereit stellt (und dieses dann im Lauf des Programms „zurückverdienen“ kann).

Wirksamer als Nikotinpflaster

Glenn und Dallery (2007) gingen der Frage nach, ob Nikotinpflaster oder ein internetbasiertes Geldprämienprogramm (wie das von Dallery und Glenn, 2005, beschriebene, also mit im Internet einlösbaren Gutscheinen) wirksamer ist. 14 Raucher, die mit dem Rauchen aufhören wollten, nahmen an der Studie teil. Die Teilnehmer wurden zufällig einer von zwei Gruppen zugeordnet. Beide Gruppen nahmen zunächst an einer Basisratenerhebung teil, bei der sie für das Abgeben von täglich zwei Atemluftproben (mittels der in Dallery und Glenn, 2005, beschriebenen Apparatur) täglich $5 erhielten. Anschließend erhielt die eine Gruppe fünf Nikotinpflaster. Die Teilnehmer sollen jeden Tag eines der Pflaster anlegen und erhielt weiter $5 am Tag. Die andere Gruppe bekam für fünf Tage lang Geldprämien für Atemluftspenden, die dem Abstinenzkriterium genügten. Nach fünf Tagen wurde getauscht, die erste Gruppe erhielt Geldprämien für Rauchabstinenz, die andere Gruppe bekam die Nikotinpflaster. Zuletzt wurde noch einmal für fünf Tage die Basisrate erhoben. Alle Teilnehmer sollten zudem jeden Tag notieren, wie viele Zigaretten sie geraucht hatten. In jeder Phase nahmen die Teilnehmer einzeln einmal an einem Beratungsgespräch zur Rauchentwöhnung (wo sie Hinweise auf Methoden erhielten, wie man sich das Rauchen abgewöhnen kann etc.) teil. Alle Teilnehmer erhielten am Ende der Studie zusätzlich $100 für ihre Teilnahme.

Das Geldprämienprogramm erwies sich auch hier als wirksamer als die Nikotinpflaster. 24% der Atemspenden in der Geldprämienphase waren negativ, im Vergleich zu 5% in der Nikotinpflasterphase. Das Ergebnis der Geldprämienphase in dieser Studie ist jedoch deutlich schlechter als das der ersten Studie von Dallery und Glenn (2005). Damals waren 60% der Atemluftprämien rauchfrei. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass in der Studie von 2007 keine allmähliche Annäherung an die Abstinenz belohnt wurde, d. h. die Teilnehmer mussten in der Geldprämienphase sofort abstinent sein (während sie bei Dallery und Glenn, 2005, den Tabakkonsum nach und nach reduzieren konnten). Zum war die Geldprämienphase in dieser Studie kürzer als die gesamte Studie von 2005, auch konnte insgesamt weniger Geld durch Rauchabstinenz verdient werden. Glenn und Dallery (2007) berichten auch von einem Einfluss der Reihenfolge: Die Gruppe, die zuerst am Geldprämienprogramm teilnahm und dann die Pflaster erhielt, erzielte am Ende der Studie bessere Ergebnisse als die andere Gruppe, die erst die Pflaster erhielt. Was die Kosten angeht, sind Nikotinpflaster und das Geldprämienprogramm in etwa vergleichbar. Jedoch ist das Geldprämienprogramm deutlich effektiver, was sich mit den Ergebnissen einer ähnlichen Studie von Wiseman, Williams und McMillan (2005) deckt.

Literatur

Dallery, Jesse & Glenn, Irene M. (2005). Effects of an internet-based voucher reinforcement program for smoking abstinence. A feasibility study. Journal of Applied Behavior Analysis, 38(3), 349-357. PDF 84 KB

Glenn, Irene M. & Dallery, Jesse. (2007). Effects of internet-based voucher reinforcement and a transdermal nicotine patch on cigarette smoking. Journal of Applied Behavior Analysis, 40(1), 1-13. PDF 232 KB

Wiseman, E.J.; Williams, D.K. & McMillan, D.E. (2005). Effectiveness of payment for reduced carbon monoxide levels and noncontingent payments on smoking behaviors in cocaine-abusing outpatients wearing nicotine or placebo patches. Experimental and Clinical Psychopharmacology, 13, 102-110.

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